Im Mai 1969 hatte ich anlässlich eines Besuchs in Hannover die Gelegenheit, auch ein wenig meinem Hobby zu frönen und die umliegenden Bahnhöfe und Bws abzuklappern. Erstes Ziel war am 09.05.69 das Bw Hannover Hgbf. Auch wenn die letzte 93.5 der DB, die 93 526, schon längst abgestellt in Lehrte stand, das Bw Hgbf war immer noch eine höchst interessante Dienststelle. Nach Anmeldung bei der Lokleitung und der erfreuten Feststellung, dass wie erhofft 01, 23 und 41 im Bw waren, entdeckte ich das: 94 041 - Eine 94.0 in Hannover.

Bild 01 

Nun ja, dass das keine pfälzische T5 war, sondern nur eine ganz gewöhnliche preußische T16.1, war mir schon klar. Aber immerhin: eine mit rundem Dach und mit "ohne Kohlenkasten", wie es das im heimatlichen Wuppertal nicht gab. Aber die Nummer war der eigentliche Knüller. Wie kam die Lok zu dieser Nummer?

Rufen wir uns in Erinnerung: Seit dem 01.01.68 galt im amtlichen Schriftverkehr die neue Nummer. Bei den Diesel- und E-Loks, sowie ET und VT, war diese inzwischen auch fast vollständig an den Fahrzeugen angezeichnet. Nur bei den Dampfern hakte es noch, hier begann die Umzeichnung erst Anfang 1969. Was ich da bei 94 041 vorfand, war offensichtlich eine (sicher nicht amtlich abgesegnete) Eigenkreation des Bw Hgbf. Die vollständige neue Nummer wäre 094 041-1 gewesen. Nun war aber eingefleischten Eisenbahnern (und den Eisenbahnfreunden sowieso) die Null vor der Baureihe ebenso ein Graus wie die Kontrollziffer. Also einfach von den vorhanden Lokschildern der 94 1041 die Tausenderziffer entfernt und fertig war die selbst gestrickte neue Nummer.

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Bild 02 

Genauso wurde auch bei 94 1373 verfahren, die zur 94 373 mutierte. Richtig gewesen wäre 094 373-8.
Einträchtig stehen damit eine Nicht-94.2 und eine Nicht-94.0 nebeneinander.

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Bild 03 

Nach einiger Zeit klarte das anfangs noch recht trübe Wetter auf und 94 373 trat ihren Dienst an.

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Bild 04 

Auch 94 041 war inzwischen aktiv geworden und rödelte mit einem Güterwagen durch das Bw.

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Bild 05 

Am nächsten Tag, den 10.05.69, wurde es allerdings richtig krass: In Lehrte fuhr mir die dort auch stationierte 44 260 mit einem Kohle-Ganzzug vor die Linse. Viele Jahre habe ich diese Aufnahme unter eben dieser Nummer einsortiert, bis mir aufging, dass ich auf "Hannoveraner Nummernsalat" hereingefallen war. In Wirklichkeit handelte es sich nämlich um 44 1261, alias 044 260-8. Hier hatte man also nicht nur die Tausenderziffer entfernt, sondern konsequenterweise auch die Einerziffer angepasst, was an der helleren Ziffer gut zu erkennen ist.

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Bild 06 

Originell und höchst selten, nummernmäßig aber absolut korrekt, war die 051 379-6, die ich am 11.05.69 im Bw Lehrte ablichtete. Im Hintergrund, und von mir leider leider sträflich missachtet, eine weitere Nummern-Vergewaltigung: 52 486, die eigentlich 052 486-8 hätte heißen müssen.

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Bild 06a 

Das Besondere an 051 379 waren die Nummernschilder: Nietschilder in konventioneller Bauweise, also nicht die regulär angewandten Siebdruck-Schilder. Ich hoffe, es ist in der Ausschnittsvergrößerung zu erkennen.

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Bild 07 

Ganz einmalig waren Nietschilder in Verbindung mit neuer Nummer allerdings nicht. Ich habe mindestens noch eine weitere Lok so angetroffen, und zwar die Heilbronner 050 450 am 01.04.73 in ihrem Heimat-Bw. In diesem Zusammenhang ist auch 094 692 zu erwähnen, die zwar in ihrer Betriebszeit die regulären Siebdruck-Schilder trug, bei der Aufarbeitung zur Museumslok jedoch Nietschilder erhielt.

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Bild 08 

Der Frust über die erst jetzt entdeckte 52 486 veranlaßte mich, meine Filme noch einmal gründlich nach weiteren Beispielen des Hannoveraner Nummernsalats zu durchsuchen. Und siehe da, bereits im Sommer '68 war mir wiederum im Bw Hannover Hgbf die "52 330" begegnet, in Wahrheit natürlich 052 330-8. Das Bild war wegen eines dicken Kratzers und kleinen Filmfehlers nicht registriert, denn seinerzeit wusste ich ja noch nicht, was man später mit Hilfe moderner Bildbearbeitungsmethoden noch alles wieder würde hinbiegen können.

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Die Beispiele zeigen, dass die BD Hannover zweifellos eine Hochburg "schräger" Umzeichnungen war. Ob andere Direktion ebenso erfinderisch waren, vermag ich nicht zu sagen. Ich kenne aber zumindest ein weiteres höchst bemerkenswertes Beispiel aus der BD Stuttgart.

Das Bw Tübingen konnte sich ganz offensichtlich auch nicht so recht mit den neuen Nummern an Dampfloks anfreunden. Während in anderen Bws, z.B. Heilbronn und Ulm, die Umzeichnung schon weitgehend vollzogen war, fuhren die Tübinger Dampfer alle noch mit alter Nummer herum, sehr zur Freude der Fotografen. Grundsätzlich war es ja auch einfach, die amtlich zu verwendende neue Nummer aus der alten abzuleiten: Null vor die Baureihe und Tausenderstelle weglassen. Schwierig wurde es nur da, wo sich die Nummer auch noch in der Einerstelle änderte.

Bild 09 

Etwa bei 38 2383, die zur 038 382-8 wurde, weil die Nummer 038 383 mit der ex 38 3383 belegt war. Also handelte Tübingen konsequent und machte aus 38 2383 eine 38 2382, also eine Pseudo alte Nummer, aus der wiederum direkt die neue Nummer ableitbar war.

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Damit endet mein kurzer Streifzug durch die Irrungen und Wirrungen bei der Umnummerierung der DB-Dampfloks auf die neue EDV-gerechte Nummer. Vielleicht kennt ja noch jemand weitere Beispiele, am besten mit Bild.
Eine Baureihe 51 bei der DB wäre doch auch nicht schlecht ...;-)

Schönen Tag noch,
Ulrich B.