Nachdem der erste Schock über die Katastrophe in Nürnberg bei mir abgeklungen ist, kreisen die Gedanken um die Frage, was unwiderruflich verloren ist und wo es vielleicht noch ein klein wenig Hoffnung auf Wiederaufbau gibt. Ich will mich an dieser Diskussion nicht öffentlich beteiligen, da ich (wie die meisten anderen) viel zu wenig Konkretes über den tatsächlichen Zustand der betroffenen Exponate weiß. Ich will auch nicht das 1001 Bild der 01 150 oder 23 105 hier zeigen, sondern eine Lok, die nur durch einen glücklichen Umstand dem Inferno entging.
Das letzte Exemplar des berühmten bayrischen Glaskastens PtL 2/2, DRG 98 307, wurde jahrelang just in dem Schuppen aufbewahrt, der jetzt mit allem, was sich darin befand, ein Raub der Flammen wurde. Glücklicherweise wurde er vor einiger Zeit an das Deutsche Dampflok Museum in Neuenmarkt-Wirsberg ausgeliehen, was ihm jetzt das Leben rettete.
Bei meinem Besuch im Bw Nürnberg Hbf am 05.08.68 wußte ich noch gar nichts von seiner Existenz. Wie damals üblich, hatte ich mich bei der Lokleitung angemeldet und dann einen Lokführer aus der Bereitschaft zugeteilt bekommen, der mich durch das Bw führen sollte. Auf dem Weg vom Dampf-/Dieselschuppen zu dem im hinteren Teil des Geländes gelegenen Ellok-Schuppen kamen wir an einem kleinen einständigen Schuppen vorbei, an dem mein Begleiter plötzlich innehielt und fragte: "Willscht 'mal unser Kaschtel sehn?" (Sorry, als Rheinländer krieg' ich das Fränkische nicht so ganz richtig hin). Natürlich wollte ich. Wir gingen durch eine Seitentür und standen direkt vor der Lok: Ein richtiger bayrischer Glaskasten. Zwar kannte ich dieses urige Gefährt aus den wenigen damals verfügbaren Publikationen, aber dass es noch ein erhaltenes Exemplar gab, überraschte mich sehr. Fotos im engen, dunklen Schuppen waren unmöglich, und so begann ich bei meinem Begleiter darum zu betteln, mir die Lok aus dem Schuppen zu ziehen. Und, damals durchaus nicht ungewöhnlich, der Mann hatte ein Herz für den von weit her angereisten jungen Eisenbahnfreund. Eine Köf stand günstig in der Nähe und kurzerhand wurde das gute Stück vor das Tor gefahren. Auch wenn die Sonne fast genau von hinten kam, wenigstens von hinten war die Lok jetzt gut zu fotografieren.
Fast genau ein Jahr später, am 01.08.69, liefen die Bw-Besuche schon deutlich routinierter ab. Keine Anmeldung, rein ins Bw, Aufnahmen gemacht, und weiter - bloß keine Zeit verlieren zwischen zwei Zugaufnahmen. Aber was stand da auf Stand 25 im Ringlokschuppen, richtig herum mit der Nase zum Licht? 98 307! Und wieder wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Jetzt gings gleich zum Bw-Chef. Rumgelabert von Bildern für ein großes Fotoarchiv, für eine Eisenbahnzeitung (zum Glück hat er nicht gefragt welche) und vor allen Dingen höflich bitte bitte gesagt!. Und wieder klappte es. Man zog uns die Lok ins Freie und so stand sie nun im besten Licht vor dem Schuppen, so dass wir sie aus allen möglichen und unmöglichen Perspektiven und Sichten ablichten konnten. Dafür ließen wir gerne auch ein paar 86er-Züge sausen. Hier 3 Aufnahmen von vielen.
Ich hoffe, Eure Geduld mit meinen persönlichen Erinnerungen nicht zu sehr strapaziert zu haben. Diese Tragödie bringt die Gefühle nun mal in Wallung. Schließlich waren es fast ausschließlich (bis auf den blöden Adler) alles Lokomotiven aus "meiner", der Bundesbahnzeit.
Schönen Abend noch,
Ulrich B.