Über die Uni war ich an die Information gekommen, dass am 30.11.75 die Belastungsprobe der neuen Süderelbbrücke in Hamburg Harburg stattfinden würde. Für diese Brückenbelastungsprobe sollten zahlreiche Dampfloks auf die Brücke gefahren werden; das versprach ein Erlebnis der besonderen Art.
Bei einer Brückenbelastungsprobe geht es um den Nachweis, dass sich die Brücke in der Wirklichkeit so verhält, wie zuvor theoretisch berechnet. Eine sehr gut messbare und aussagefähige Größe ist dabei die Durchbiegung der Brücke unter Last. Um die für die Auslegung zugrunde gelegte hohe Meterlast (= von der Brücke zu tragendes Gewicht pro Meter Brücke) zu erreichen, braucht man für den Belastungsversuch möglichst schwere Fahrzeuge, bei denen die einzelnen Radsätze dicht aufeinander folgen - was war da besser geeignet als die schweren Güterzugdampfer der Baureihe 44 mit 20t Radsatzlast. Um diesen Wert zu erreichen, sollten die Maschinen möglichst ihr Dienstgewicht mitbringen - Schrottloks wären deshalb eher suboptimal. Und, nebenbei bemerkt, die Gefahr, dass die Brückenkonstruktion total versagt und unter der Belastung durchbricht, bestand auch damals schon definitiv auch nicht ansatzweise.
Bei den Versuchen wird die Belastung stufenweise erhöht. Mit Hilfe geeigneter Messverfahren werden dann die Verformungen und die in der Struktur auftretenden Spannungen ermittelt.
Genug der Vorrede. Los ging's am frühen Sonntag-Morgen, 30.11.75, in Hannover. Zunächst wurden noch drei Kommilitonen aufgesammelt, die sich das Spektakel ebenfalls ansehen wollten. Für meinen altersschwachen 34 PS Käfer bedeutete das zwar Grenzlast, aber gleichzeitig für alle eine spürbare Reduzierung der Fahrkosten.
In Hamburg herrschte typisches Novemberwetter - alles grau in grau, leicht diesig, aber wenigstens war es trocken. Der Ort des Geschehens, die Süderelbbrücke in Harburg, war leicht gefunden und zahlreiche Schaulustige hatten sich bereits eingefunden. Von der Krone des Neuländer Hauptdeichs, heute eine bekannte Fotostelle, entstand die erste Aufnahme der Tour.
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Da auf dem Gleis dahinter noch ein weiterer Belastungszug vor sich hin dieselte, begaben wir uns auf die andere Seite der Strecke (legal durch die Unterführung), von wo aus sich die Situation so darstellte:
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Nach diesem Auftakt wagten wir uns weiter vor und ein erstes Ziel bestand darin, die Zusammensetzung der beiden Belastungszüge zu ergründen. Neben den Jumbos waren auch etliche Belastungswagen mit von der Partie, aufgebaut aus den Fahrwerken ehemaliger Tender 2'2'T34 und 2'3T38, bei denen der Aufbau durch Schienenpakete ersetzt war, um so die maximal mögliche Achslast (22,5 t ?) zu erreichen (Einzelbilder davon habe ich mir seinerzeit leider gespart). Meine Aufzeichnungen von damals sind vielleicht auch für andere von Interesse:
Zug 1, vorderes Gleis:
291 017 + 291 016 + 044 143 (GBi) + 4 Bel.wg. + 044 522 (GBi, Z) + 044 594 (GBi) + 044 969 (Ott, Z) + 044 360 (Ott) + 4 Bel.wg. + 044 592 (GBi) + 044 596 (GBi)
Zug 2, hinteres Gleis:
291 018 + 291 019 + 044 470 (GBi) + 4 Bel.wg. + 044 599 (Ott, Z) + 044 329 (GBi) + 044 575 (GBi) + 4 Bel.wg. + 044 171 (Ott) + 044 204 (Ott, Z)
Dabei standen die Dieselloks BR 291 im Süden, also Richtung Harburg. Dampfer mit der Nase nach Süden sind in Normalschrift, die mit Tender nach Süden kursiv angegeben.
Gemäß amtlicher Statistik war am 30.11.75 keine dieser Loks ausgemustert und nur 044 204, 522, 599 und 969 standen offiziell auf z; 044 143, 171, 329, 470, 575, 592, 594 und 596 wurden erst am 10.12.75 z-gestellt. Tatsächlich aber waren alle Maschinen kalt und mehr oder minder abgerüstet. Einzige Ausnahme: Die Ottbergener 044 360, die noch für einige Monate wieder in Fahrt kam. Unabhängig davon ist aber davon auszugehen, dass alle Loks "bis zur Halskrause" mit Wasser gefüllt waren (Lok und Tender), um das angestrebte Gewicht zu erreichen.
Das Fotografieren der Dampfloks gestaltete sich wegen der beengten Platzverhältnisse zwischen den Zügen und inmitten von Betriebsgleisen etwas schwierig, aber schließlich ging es ja auch nicht um schöne Lokaufnahmen sondern darum, den selten zu erlebenden Fall einer Brücken-Belastungsprobe irgendwie auf den Film zu bannen.
Bild 03 |
Das bei Bild 2 angesprochene Zurückdrücken des Zuges 2 auf die Brücke hatte dazu gedient, den hinteren Teil ab 044 329 auf der Brücke abzustellen, um damit eine Teillast zu simulieren. |
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Bild 07 |
Nachdem diese Messung im Kasten war, wurden die Teilzüge wieder zurückgeholt und die nächste Messung vorbereitet. Zu sehen ist hier der Schluss von Zug 1 mit 044 596 und 044 592. |
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Bild 09 |
... 044 592 ex 44 1596. Wieder einmal ein schönes Beispiel für die Fallstricke der neuen Nummern. |
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Bild 12 |
... und dann noch einmal die drei Loks an der Spitze des zweiten Belastungszuges: 291 018 + 291 019 + 044 470. |
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Nach diesen Bildern war unser Appetit auf Belastungsprobe und kalte Dampfer erst mal gestillt. Und da das Wetter langsam etwas besser wurde, beschlossen wir, noch kurz in Altona nach dem Rechten zu schauen - schließlich gab es in Hamburg auch nach dem Ende der Dampfzeit noch viel Interessantes zu sehen und bei der Baureihe 265 fehlten mir noch ein paar. Doch davon mehr in einem gesonderten Beitrag.
Auf dem Rückweg von Altona nach Hause lag die Süderelbbrücke ja quasi am Weg und so schauten wir noch einmal vorbei, was die Messungen machten. Das Wetter war inzwischen wieder recht diesig geworden und so beschränke ich mich bei der Auswahl der Bilder auf zwei Aufnahmen vom nördlichen Ufer der Süderelbe.
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Bild 15 |
Die gleiche Situation wie auf dem Bild zuvor, nur etwas weiter nach rechts gehalten. |
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Rückblickend muss ich sagen, dass sich der Ausflug an die Süderelbbrücke trotz des miesen Wetters durchaus gelohnt hat. Eine derartige Belastungsprobe habe ich später nie wieder miterleben können. Und bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass bis auf den Sipo in Bild 12 kein einziger Mensch mit Warnweste zu sehen ist. Heute kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass wir uns völlig unbehelligt im Gleis- bzw. Baustellenbereich und direkt neben einer viel befahrenen Hauptstrecke aufhalten konnten.
Von unserem Beifang in Altona und Umgebung werde ich später in einem gesonderten Beitrag berichten - ich denke, auch daran besteht Interesse?
Einen schönen Tag noch,
Ulrich B.